Meine Werke entstehen mit Acrylfarben auf Holz oder Leinwand. Von der gegenständlichen Malerei habe ich mich mit den Jahren immer weiter entfernt. So wird mir heute mit der abstrakten Darstellung eine Möglichkeit geschenkt, mich mit Farben und Linien auszudrücken, wo Worte nicht mehr oder nur noch wenig greifen.
Inspiration finde ich in der Natur. Der Blick auf die kleinen Dinge macht mir Freude, sei es ein schillernder Wassertropfen, eine Blüte, ein Blatt, auch Erlebtes oder Sinneswahrnehmungen werden ausgedrückt in Farben und Linien. Mein Malen ist intuitiv und für mich immer wieder herausfordernd. Es gibt keine Planung und auch kein fertiges Bild, das schon vor dem inneren Auge steht. Es ist ein gestisches Malen. Die Werke, besonders aus den Jahren 2023, 2024 sind in dieser Technik entstanden. Ich beginne auf dem Malgrund in der Mitte mit Weiß. Mit den Fingern vermale ich die Farben, meist sind es die Grundfarben, in nicht enden wollenden Linien. Das Liniengeflecht erhält eine Tiefe. Bewusst lasse ich dieser Entwicklung und dem Prozess des Wachsens seinen Raum. Es wird auch mal mit Spachtel Farbe abgetragen um Sichtfenster zu schaffen. Es ist für mich immer wieder überraschend, was entsteht. Die Betrachterin und den Betrachter lade ich ein, in meine Bilder förmlich einzutauchen und so in Resonanz zu gehen. Viel Freude! Jutta Schlier
Dr. Vera Leuschner, Kunsthistorikerin, November 2017:
Liebe Jutta,
„Kunst der Ruhe“ – unter diese Überschrift stellst Du Deine Bilder. Ich sah Deine Ausstellung im Gemeindehaus in Sandershausen vor dem Konzert, aber da fand ich nicht die Ruhe zum konzentrierten Schauen. Erst einen Tag später kehrten wir an diesen Ort zurück und ließen den mit Deinen schlanken schmalen Tafeln gefüllten Raum auf uns wirken und schritten dann, die gedruckte Liste mit den Bildtiteln in der Hand, von einem Gemälde zum nächsten und konnten uns in ihre Betrachtung versenken. Die Farbenpracht und das innere Leuchten dieser geheimnisvollen Bilder ziehen den Betrachter sofort in ihren Bann. Das Tageslicht fiel durch die Fenster und bot genügend Helligkeit auch ohne die elektrische Beleuchtung. Abgesehen von wenigen Ausnahmen – zum Beispiel dem Bild Frucht des Lebens, auf dem man eine Frauengestalt (und ihren Schatten?) sieht, die die Früchte eines Baumes zu pflücken scheint: Früchte, die sonnengleich groß sind oder von ihr gereift und gleichsam voller Saft herabtropfen – abgesehen von diesem Bild also, ist Deine Malerei abstrakt. Welch ein Glück, dass die Malerei im 20. Jahrhundert abstrakt werden durfte, gelöst oder erlöst von der gegenständlichen Welt. Von nun an konnten die Maler (und Malerinnen!) allein mit Farben und Formen ihre Gefühle, Gedanken, Assoziationen, Eindrücke, Ängste, Freuden, Erinnerungen ausdrücken. Und in diesem Fahrwasser bewegst Du Dich.
Viele Tafeln besitzen eine klare religiöse Botschaft, die Dir als Theologin besonders am Herzen liegt: z.B. Stairs to Heaven, Ein Platz an der Sonne (ist hier das „Licht der Welt“, aus dem Johannesevangelium gemeint?). In Geschenk der Ruhe oder in Der Weg deutet die Kreuzform auf den christlichen Inhalt. Der Titel des Gemäldes Himmelsbrücke könnte an die Geschichte aus dem Alten Testament von Jacob und der Himmelsleiter erinnern, aber mit den grünen Halmen, die hinter einer transparenten Scheibe emporwachsen, findest Du dann eine ganz eigene Bildsprache. Hier wie in allen Deinen Bildern schwingt immer ein transzendentes symbolisches Moment mit.
Dies gilt auch für die Vierergruppe In jedem Anfang steckt ein Zauber, die vielleicht das Wachstum vom Dunkel ins Licht, vom Samenkorn zur Pflanze symbolisiert oder noch viel umfassender: von der Schöpfung Gottes erzählt. Der Titel erinnert freilich an das Gedicht „STUFEN“ von Hermann Hesse:
„Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft zu leben …“
In jüngster Zeit hast Du Dich von gotischen Kathedralen, ihren hochstrebenden Pfeilern, ihren Spitzbogen und darüber gespannten mächtigen Gewölben, und von ihren funkelnden Glasfenstern inspirieren lassen (zum Beispiel Die Kathedrale 2). Sicher wird Dich diese „diaphane“ Architektur noch länger beschäftigen, denn das war auch Deine erste Bemerkung in einem Gespräch, das wir beide führten: das beglückende Gefühl und die innere Harmonie, die die farbigen Kirchenfenster in Dir auslösen.
Ich wünsche Dir weiterhin viel Glück und viel Segen!
Liebe Grüße
Vera
Zierenberg, November 2017 | Dr. Vera Leuschner | Kunsthistorikerin